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Ein L und zwei P. Philipp!

Das Failtom der Oper

Ich fahre durch Hamburg, stehe an einer Ampel und sehe ein Plakat am Wegesrand. Das Phantom der Oper mit Weltstar Deborah Sasson. Ich denke mir, okay, war nicht erst letztens der zweite Teil von Phantom in Hamburg? Komisch, dass der erste schon wieder läuft.

Ende Januar, ich komme gerade vom Pia Douwes-Konzert und bin im Musical-Rausch. Ich erinnere mich an das Plakat, das ich ein paar Wochen zuvor sah, logge mich bei Eventim ein und kaufe für 64 € ein Ticket für den 15. Februar. Bereits im Blogpost scheine ich eine Vorahnung zu haben.

Keine Ahnung, ob es eine gute Produktion ist, aber ich denke, das kann man sich mal angucken.

Fünfzehnter Februar, 9:00 Uhr. Ich bin etwas zu früh um Büro und ich drucke mir das Print@Home-Ticket aus. Mit Erschrecken stelle ich fest, was darauf steht. “Das Phantom der Oper, Musik: A. Gerber, Text: P. Wilhelm”.

Moment mal, ist das Musical nicht eigentlich von Andrew Lloyd Webber?

Ich google kurz, ob Andrew Lloyd Webber eventuell nur ein Künstlername von A. Gerber ist, aber nein — Ich bin tatsächlich in eine Falle getreten.

Man muss nämlich Wissen, dass es vom Phantom insgesamt (mindestens) vier Musical-Produktionen gibt. Eine sehr alte (die Erste) von irgendeinem Typ, ein Flop — danach die weltbekannte von Herrn Webber — das, was den meisten wahrscheinlich zuerst einfällt, wenn man sie nach einem Musical fragt. Naja, und halt die Version von Gerber/Wilhelm und die von Deborah Sasson. Witzigerweise waren jetzt beide Versionen im kurzen Abstand hintereinander im Mehr! Theater in Hamburg.

Ich erspare mir jetzt die Diskussion, ob es cool von den Produzenten ist, unter solch einem vorbelasteten Namen ein Musical an den Markt zu bringen. Rechtlich ist es wohl okay, da es alles auf dem gleichnamigen Buch basiert und der Autor schon lange tot ist.

Nach etwas Recherche fand ich auch diverse Meldungen von Verbraucherzentralen, die vor Betrug warnen — was natürlich etwas… übertrieben ist, denn am Ende treten da auch Schauspieler und Musiker auf, die versuchen etwas schönes zu produzieren — nur halt nicht unbedingt das, was man erwartet, wenn man Karten für das fucking Phantom der fucking Oper kauft.

Immerhin die Veranstaltungsorte geben sich immer recht viel Mühe, darauf hinzuweisen, was es nicht das Original ist — beim Mehr! Theater stand es zum Beispiel ganz groß in rot über dem Beschreibungstext. Schade, dass ich damals direkt über Eventim buchte. Denen ist das natürlich völlig egal.

Fünfzehnter Februar, 9:05 Uhr. Der Tag ist gelaufen. Ich freute mich seit ein paar Wochen auf das Musical und jetzt wird mir klar, das ich wohl etwas komplett anderes sehen werde. Ich informierte mich noch etwas und hoffte einfach, das es bestimmt auch in irgendeiner Weise gut sein wird. Ich kenne das Phantom bisher ja nicht und ja, vielleicht ist das Bühnenbild billig und die Lieder nicht ganz so toll, aber an sich kann ich mich ja trotzdem ganz gut begeistern solang ein paar Leute schön singen.

Fünfzehnter Februar, 19:30 Uhr. Es regnet und ich steige ins Taxi. Ich dachte schon kurz darüber nach, gar nicht erst hinzugehen, denn das Sofa war auch sehr gemütlich. Trotzdem fahre ich los.

19:45 Uhr. Im verdammten Mehr! Theater muss man immer aus Sicherheitsgründen seine Jacke an der Garderobe abgeben. Ich kapiere es einfach nicht. Naja. 2€ weniger.

19:55 Uhr. Es ist gar nicht mal so voll. Bei der Buchung sah es eigentlich fast ausverkauft aus. Sind so viele einfach nicht gekommen, oder bescheißt Eventim?

20:01 Uhr. Immerhin geht es pünktlich los. Das Orchester sitzt vor der Bühne, war das bei Elisabeth auch so? Ist aber auch okay. Das Bühnenbild besteht hauptsächlich aus einer Beamerleinwand, die mit einem statischen Foto bestrahlt wird und zwei Tischen.

20:10 Uhr. Bisher wurden verschiedene Charaktere vorgestellt. Das Phantom huschte ein paar mal über die Bühne. Bisher hat niemand auch nur einen Ton gesungen. Bin ich hier richtig?

20:15 Uhr. Der erste Song! Ah. Mh. Der Sound klingt, als hätte jemand einen alten Telefonhörer mitten über der Bühne aufgehangen und voll aufgedreht. Haben die keinen Soundcheck gemacht, oder ist der Audiotyp eventuell taub?

21:00 Uhr. Mittlerweile läuft das Stück seit einer Stunde. Der die vier jungen Frauen neben mir (die zwei Reihen vor und nach mir sind komplett leer, warum kommen gerade die Leute, die neben mir sitzen??) schauen abwechselnd aufs Smartphone (volle Helligkeit) oder quatschen. Es ist ihnen nicht zu verübeln, denn Quatschen ist auch das, was die Darsteller auf der Bühne hauptsächlich machen. Ich glaube, in der ersten Stunde gab es so vier oder maximal fünf Songs, maximal.

21:15 Uhr. Das Phantom hat Christine zu sich in den Keller geholt. Sie möchte nicht da sein, er lässt sie gehen, ist danach furchtbar traurig. Der erste Akt ist vorbei. Nicht nur das Phantom ist furchtbar traurig. In den letzten 15 Minuten konnte ich zwar meinen Song-Counter vielleicht noch um eins erhöhen, trotzdem mache ich mir Gedanken, ob das jetzt wirklich die schönste Version dieses angebrochenen Donnerstagabend ist.

21:20 Uhr. Positiv am Mehr! Theater: Es gibt viele Toiletten! So muss ich nicht lange anstehen. Ich entschließe mich meine Jacke zu holen, frage noch nach Rabatt, weil ich ja gar nicht die volle Zeit in Anspruch nahm und bewege mich nach Hause. In Anbetracht der Tatsache, dass ich soeben ein 64€-Musical nach einer Stunde verlassen habe und die Hinfahrt schon teuer genug war, laufe ich einfach die 25 Minuten nach Hause. Ich bedanke mich bei mir selbst, dass ich die AirPods einsteckte und aktiviere meine Best of Musical-Playlist im Spotify. Jedes Lied ist besser als die komplette letzte Stunde.

Eventuell bekam man durch diese kurze Schilderung des Abends mit, dass es mir wirklich nicht gefallen hat. Es muss schon viel passieren, dass ich eine so saumäßig teure Veranstaltung frühzeitig verlasse. Hier nochmal meine Kritikpunkte in einer kurzen Liste:

  • Sound war unglaublich schlecht (mag an der Halle liegen, aber bei Elisabeth war alles gut)
  • Sie haben nur geredet
  • Das Phantom hatte schon einen sehr starken Akzent, was an und für sich ja okay ist, aber wenn das Stück halt zu 90% aus Reden besteht und man dann nichts versteht, ist das etwas schade
  • Die wenigen Lieder, die im ersten Akt vorkamen waren allesamt sehr sehr langweilig

Nach 25 Minuten Musical-Playlist und durch den Abend spazieren, ging es mir zuhause natürlich schon wieder gut und der Frust war vergessen. Trotzdem schmerzen noch zwei Dinge:

  1. Das ASA Events offensichtlich nicht mal versucht ein gutes Musical unter dem Namen zu machen
  2. Das ich so dumm war, darauf reinzufallen und dann noch ein 64€ Ticket kaufte, statt einer günstigeren Platzkategorie.

Ich hatte ja den ganzen Donnerstag die Hoffnung, das es irgendwie gut wird. Das Orchester wird doch aus Leuten bestehen, die ihr Handwerk verstehen und gute Musik spielen wollen. Das Ensemble wird doch aus guten Darstellern bestehen, die das Publikum begeistern wollen! Die ganze Crew muss doch genauso denken?

Offensichtlich hat entweder keiner der Beteiligten Ahnung davon, was ein gutes Musical ausmacht, oder es ist ihnen egal. Vielleicht sind solche Rollen auch eben Rollen, die man am Anfang einer Karriere macht, weil man sonst noch nichts hat? Ich weiß es nicht, wie es dazu kommen kann.

Also Leute, falls ihr mal spontan Lust auf ein Musical habt, Augen auf. Lieber zweimal hingeschaut als am Ende enttäuscht.